Schaumburger Wochenblatt                 Mittwoch 29.06.05

    Spannung pur bei der Ratssitzung

    Geänderte politische Verhältnisse /Resolution gegen weiteren Gesteinsabbau und Müllverbrennung

    Rinteln (ste). Am Donnerstag, 30. Juni, findet um 19 Uhr im Ratskeller am Marktplatz die letzte Ratssitzung vor der Sommerpause statt. Und es ist Spannung pur angesagt.

    Nach dem Wechsel von Gert Armin Neuhäuser aus der SPD-Fraktion zur WGS stehen die politischen Verhältnisse Kopf. Die Tagesordnung verspricht einen politisch spannenden Abend. So wird über einen Antrag der WGS-Fraktion zur Änderung der Hauptsatzung und Wegfall des zweiten stellvertretenden Bürgermeisters beraten, die Ausschüsse müssen neu besetzt werden und Mitgliedern für die Verbandsversammlung des Sparkassenzweckverbandes Schaumburg, des Aufsichtsrates der Stadtwerke Rinteln GmbH, des Aufsichtsrat der Gemeinnützigen Verwaltungs- und Siedlungs mbH (GVS) und des Aufsichtsrates der Bäderbetriebe Rinteln müssen neu benannt und gewählt werden.

    Darüber hinaus geht es um Bauleitplanung im Ortsteil Rinteln “Hopfenberg”, über die Satzung über die Erhaltung baulicher Anlagen und der Eigenart des Gebietes (“Altstadt Rinteln”), über das Sanierungsgebiet “Rinteln-Stadtmitte” und über Tageseinrichtungen für Kinder in Rinteln. Hier ist eine Erweiterung des Betreuungsangebotes um Krippenplätze beantragt. Spannend wird es auch bei der Frage der weiteren Nutzung des Steinangergeländes in Rinteln. Hier stehen die Zeichen auf Erhalt der dortigen Sportanlagen und die Pläne für eine Sanierung der Fußballplätze liegen beim SC Rinteln schon in der Schublade.

    Der Rat befasst sich weiterhin mit einer Resolution des Rates der Stadt Rinteln zur Beendigung des Gesteinsabbaues am Messingsberg in Steinbergen auf Antrag der WGS-Fraktion, ebenso wie mit dem Kiesabbau der Firma Kieswerk Wilhelm Reese.

    Der Abwasserbetrieb der Stadt Rinteln stellt seinen Jahresabschluss 2004 vor und es wird eine Diskussion über die Einstellung einer Gleichstellungsbeauftragten geben. Desweiteren wird der Rat eine Resoltuin zur Müllverbrennung im Kraftwerk Veltheim formulieren. Im Anschluss an die öffentliche Sitzung findet eine Einwohnerfragestunde statt.          Foto: ste  Schaumburger Wochenblatt

 

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    Einwände der Stadt "sehr wohl berücksichtigt"

    Kreisdezernentin Ursula Krahtz verteidigt Rechtsposition des Landkreises / Bürgerprotest im Ausschuss

    Landkreis/Rinteln (wer). Deutlicher kann die Kluft zwischen Bürgermeinung und Ausschussvotum kaum sichtbar werden: Unter den Protestplakaten der Zuhörer hat der Kreisumweltausschuss die Verwaltungsvorlage zum Kiesabbau der Firma Reese einstimmig akzeptiert - ohne größere Diskussion in der Sache, aber mit viel Kritik an die Adresse der Stadt Rinteln.

    Damit sind die politischen Weichen für den Abtrag der Kameshügellandschaft um 30 Hektar gestellt - am 28. Juni soll der Kreisausschuss, im Juli der Kreistag die Rechtsposition der Verwaltung billigen.

    Kreisdezernentin Ursula Krahtz eröffnete die Sitzung im Kloster Möllenbeck mit der juristischen Begründung für die Abbauerweiterung: Die Abwägung in diesem "Nutzungskonflikt" sei bereits auf höherer Ebene, in den Raumordnungsverfahren, erfolgt, die Ziele der Raumordnung hätten "quasi Gesetzescharakter" und ließen keinen Ermessensspielraum. Was nicht bedeute, dass es kein Verfahren zur "Detailprüfung" hätte geben müssen.

    Krahtz erklärte, dass die Abbaufläche nach dem restriktiven Kreistagsbeschluss zum Bodenabbauleitplan von 1998 "auf Wunsch der Stadt Rinteln" wieder in die Pläne aufgenommen worden sei. Die jetzigen Argumente der Stadt seien "sehr wohl berücksichtigt worden", könnten im Ergebnis aber nicht dazu führen, dass die Vorgaben der Raumordnung ignoriert würden.

    Krahtz trennte zwischen "Motiven" der Ablehnung und Rechtsgründen. Vor diesem Hintergrund kommt die Kreisdezernentin zu der Einschätzung, dass es keine neuen Argumente gebe: "Die Behauptung, dass sich die Argumentationslage geändert hat, ist nicht richtig."

    Auch die erhebliche Betriebsreduzierung bei Braas, die in Rinteln nicht unwesentlich zum Meinungswandel beigetragen hat, ließ die Dezernentin in der juristischen Argumentation nicht gelten. Den Vorwurf, die Vorlage habe den politischen Diskussionsprozess des letzten Jahres nicht aufgegriffen, wies sie mit dem Hinweis zurück, dass die Debatte durch die Presse hinlänglich bekannt sei.

    Der rechtlichen Kritik von Rintelns Erstem Stadtrat Jörg Schröder hielt die Kreisdezernentin vor allem die damalige Beteiligung der Stadt am gefundenen "Kompromiss" entgegen. Der aktuelle Antrag der Stadt, ein Naturschutzgebiet auf der gesamten Fläche auszuweisen, sei dagegen nicht geeignet, das laufende Genehmigungsverfahren zu beeinflussen.

    Krahtz bezog in ihrem rechtlichen Plädoyer auch inhaltlich Stellung für den Kiesabbau. Es handle sich um ein "besonders wertvolles Bodenabbauvorkommen", wertete die Dezernentin - dass gerade die Mächtigkeit des Sandes die geologische Bedeutung der Kameshügel definiert, erwähnte sie nicht. Mit der Entscheidung für den Abbau könne "nach Auskunft des Unternehmens" nun nicht mehr gewartet werden.

    Die als bekannt vorausgesetzte Rintelner Diskussion ließ bei den Ausschussmitgliedern jedoch viele Fragen offen. "Was hat sich da getan im letzten Jahr?", wunderte sich Horst Sassenberg (CDU). "Ich kann die Haltung der Stadt nicht nachvollziehen." Dass die größte Stadt und der Landkreis zu einer so unterschiedlichen Rechtsauffassung gelangen, sei "etwas unüblich", meinte Sassenberg.

    Herwig Henke (SPD) schlug in die gleiche Kerbe: "Das Verhalten der Stadt erinnert mich an Gutsherrenmanier", man müsse der Rechtslage Rechnung tragen. Henke schoss sich regelrecht auf Rinteln ein und ließ durchblicken, dass es Stimmen im Landkreis gebe, die meinten, dass ohnehin zu viel für diese Region des Kreisgebietes getan werde.

    Aus Rinteln unterstützten die Kreistagsabgeordneten Horst Requardt und Günther Maack die Vorlage - beide CDU-Politiker hatten sich auch im Rintelner Rat für den Abbau eingesetzt. Aus den Reihen der Rintelner SPD sitzt eigentlich Eckhard Hülm im Umweltausschuss - er hatte sich vertreten lassen.

    Die Grünen-Politikerin Cornelia Laasch bezog als einziges (nicht stimmberechtigtes) Ausschussmitglied Stellung gegen den Abbau: "Wir sind gegen die Zerstörung der Landschaft und auch juristisch zuversichtlich, diese Ausein-andersetzung zu gewinnen."

    Ihr war der Applaus vieler Zuhörer sicher, die mit Transparenten ("Heile Heimat") gegen den Abbau protestierten und die euphemistische Sprache der Kreisverwaltung zur "Umgestaltung" der Natur geißelten. Aus den Reihen der Zuschauer versuchte Heidegret Eikmeier aus Rinteln den Politikern ins Gewissen zu reden: "Wir baggern unsere Umwelt weg, zerstören die Zukunft unserer Kinder." Schaumburger Zeitung, 17.06.2005

 

 

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    "Wir sehen das anders als der Landkreis"

    Stadt-Jurist Jörg Schröder verteidigt Ablehnung des Reese-Abbaus / Heute Kreisumweltausschuss

    Landkreis/Rinteln (wer). Die beantragte Abbaugenehmigung für das Kieswerk Reese führt Stadt und Kreisverwaltung in einen Konflikt. Für die Stadt Rinteln bleibt Verwaltungsjurist Jörg Schröder bei der Rechtsposition, nach der das Einvernehmen verweigert werden könne - und geht damit auf Distanz zur Kreisverwaltung, die eine Genehmigung für unabdingbar hält. Schröder weist darauf hin, dass die frühere Abwägung viele Aspekte nicht berücksichtigt habe und man sich den raumordnerischen Vorgaben nicht beugen müsse.

    Der Erste Stadtrat sieht in der Kreisvorlage einen "Wertungswiderspruch": Einerseits werde vorgeschlagen, der Löschung des Landschaftsschutzgebietes zuzustimmen, andererseits solle der verbleibende Randstreifen als Naturschutzgebiet ausgewiesen werden. "Das bedeutet, dass auch der Abbau in einem naturschutzfähigen Bereich erfolgen soll."

    Der Verwaltungsausschuss der Stadt hat deshalb einen Antrag verabschiedet, den kompletten Bereich als Naturschutzgebiet auszuweisen - in der Sachdarstellung der Kreisverwaltung suchen Rintelns Ratspolitiker diese Beschlusslage allerdings vergeblich.

    Schröder verteidigt die Rechtsposition der Stadt: "Wir sehen das anders als der Landkreis." Zum Beispiel sei über die Frage, ob die Kreisstraße 80 aufgehoben werden soll, noch kein straßenrechtliches Verfahren durchgeführt worden - "in der damaligen Abwägung können also gar nicht alle Argumente behandelt worden sein". Gleiches gelte für die Standfestigkeit der Waldkulisse.

    Ihre Argumente wird die Stadt auch auf dem Erörterungstermin zur Umweltverträglichkeitsprüfung am 29. Juni darstellen - zu spät für die politischen Vorentscheidungen in den Ausschüssen. Das Timing der Kreisverwaltung sieht vor, dass Umwelt- und Kreisausschuss vor diesem Termin tagen.

    Zeitdruck für die Entscheidung besteht eigentlich nicht: Reese kann nach eigenen Angaben noch deutlich länger als bis 2009 (wie in der Kreisvorlage angegeben) im genehmigten Bereich abbauen, die Stadt hat in ihrer Vorlage den Abbauzeitraum bis 2011 oder 2013 veranschlagt.

    Bis dahin entgehen dem Unternehmer auch keine Gewinne. Hinter dem Hinweis der Kreisverwaltung auf Schadensersatzansprüche macht Schröder deshalb ebenfalls ein Fragezeichen: Welcher Schaden außer Planungskosten könnte überhaupt geltend gemacht werden?

    Als der Stadtrat im März seine Stellungnahme zur Reese-Erweiterung abgeben wollte, drohte Reese den Ratsherren selbst mit Schadensersatzforderungen. Die Kreisverwaltung hat damals öffentlich bestritten, dass die Stadt keinen Entscheidungsspielraum besitze. Inzwischen hat sich die Kreisverwaltung eine andere Lesart zuEigen gemacht: In der Vorlage für den Umweltausschuss wird die Position des Unternehmers, der mit juristischer Unabwendbarkeit durch Ausweisung der Fläche im Raumordnungsprogramm argumentiert, übernommen.

    Dass raumordnerische Vorgaben sogar die Löschung eines bestehenden Landschaftsschutzgebietes zwangsläufig diktieren, hat die Kreisverwaltung bis zur Erstellung ihrer Vorlage auch selbst immer wieder öffentlich bestritten. In einer Landkreis-Pressemitteilung zum Reese-Verfahren vom 14. September 2004 heißt es wörtlich, Raumordnungsprogramme seien "abstrakte Planungen", sie "ersetzen nicht die erforderliche, Vorhaben bezogene Einzelfallprüfung".

    Auch dass das Landschaftsschutzgebiet gegen Abbau geschützt werden müsse, hat der Landkreis vor zwei Jahren selbst dokumentiert, als er der Firma Dubbert in einem unbewaldeten Teil des Gebietes, der nicht als Rohstoffvorrangfläche markiert war, eine inhaltliche Absage erteilte. "Angesichts der Wertigkeit des Schutzgebietes insbesondere für das Landschaftsbild ist eine Aufhebung nicht zu vertreten", hieß es in der Kreisvorlage vom 30. Juni 2003.

    Erste politische Signale aus dem Kreistag kommen von der Wählergemeinschaft. Rintelns WGS-Kreisbeauftragter Hartmut Bauer hat von den Kollegen im Kreistag das Signal erhalten, der Ablehnung durch die Rintelner WGS zu folgen. "Ich hoffe, dass die WGS - wie auch im Stadtrat - die entscheidende Kraft sein wird, den Bodenabbau zu verhindern", erklärt Bauer.Auch der SPD-Unterbezirk hat sich bereits für eine politische Entscheidung gegen die Abbauerweiterung ausgesprochen.

    Der Kreisumweltausschuss trifft sich nach einer Betriebsbesichtigung im Kieswerk heute um 17 Uhr zuröffentlichen Sitzung im Kaminzimmer des Klosters Möllenbeck.  Schaumburger Zeitung, 15.06.2005

 

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    “Kreistagsmitglieder sind rechtlich nicht gebunden"

    Verwaltungsrechts-Experte Neuhäuser widerspricht juristischer Argumentation der Kreisverwaltung zum Reese-Abbau

    Landkreis/Rinteln (wer). Die Kreisverwaltung schlägt vor, den Erweiterungsantrag des Kieswerks Reese in den Kameshügeln aus juristischen Gründen zu genehmigen. Eine Rechtsposition, die auf Kritik stößt. Im Gespräch mit unserer Zeitung widerspricht der ausgewiesene Verwaltungsrechtler Gert Armin Neuhäuser der Kreisverwaltung: Der Jurist sieht keine rechtlichen Handlungszwänge, sondern politischen Entscheidungsspielraum für die Kreistagsmitglieder.

    Müssen die Kreistagsmitglieder aus Rechtsgründen dem Landrat folgen und das Abbauvorhaben Reese bewilligen ?

    Nein. Dies müssten sie nur dann, wenn Herr Reese einen Rechtsanspruch auf die Löschung des Landschaftsschutzgebietes hätte. Dies wäre ein Anspruch auf Normsetzung - nämlich auf den Erlass einer Verordnung zur Löschung des Landschaftsschutzgebietes. Das deutsche Recht kennt aber keinen allgemeinen Rechtsschutz mit dem Ziel des zukünftigen Erlasses einer Norm.

    Hat der Kiesunternehmer denn einen Anspruch auf eine Ausnahme von der bestehenden Landschaftsschutzverordnung? Ebenfalls nein. Die Vorlage führt in ihrer so genannten Abwägung - nur insoweit zutreffend - aus, dass im fraglichen Bereich ein Bodenabbau "zwangsläufig zur unwiederbringlichen Zerstörung des Kames" führen wird, also nach dem Abbau eine völlig andere Landschaft als die ursprünglich geschützte bestehen würde. Wird dasSchutzgebiet großflächig de facto durch den Bodenabbau beseitigt, so kommt eine Ausnahmegenehmigung von einer Landschaftsschutzverordnung nicht in Betracht.

    Auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Flächenreduzierung oder wegen angefallener Planungskosten für den Unternehmer?

    Auch dann sicher nicht. Es fehlt schon am Tatbestand der Befreiungsnorm, so dass man zur Rechtsfolgenseite - auf der ein etwaiger Vertrauensschutz im Rahmen des Ermessens allenfalls berücksichtigt werden könnte - hier gar nicht mehr kommt. Und dass ein Unternehmer zunächst am liebsten alle Kameshügel abgebaut hätte, kann rechtlich auch nicht dazu führen, dass ihm ein Anspruch auf ein Weniger rechtlich zuwächst.

    Also keine "Ermessensreduzierung auf Null", wie der Landrat schreibt?

    Keinesfalls. Schon der Begriff geht hier fehl, weil es eben bei Normsetzung kein Ermessen aus Sicht des Normadressaten gibt. Der Landrat tut hier so, als habe man keinen Handlungsspielraum. Das ist aber Quatsch. Die Kreistagsmitglieder sind in ihrer Entscheidung zu Reese rechtlich nicht gebunden.

    Soll die Stadt Rinteln gegen den Landkreis klagen?

    Natürlich muss eine Gemeinde wie die Stadt Rinteln, die teilweise gegen ihren erklärten Willen weggebaggert werden soll, dagegen auch juristisch vorgehen; das hat ja auch Heinrich Sasse schon zutreffend gefordert. Ich wünsche mir aber im Vorfeld eine Ablehnung der Löschung des Landschaftsschutzgebietes und damit des Bodenabbaus durch den Kreistag, das würde die Sache juristisch einfacher machen und das Verhältnis zwischen der Stadt und dem Landkreis nicht auf Dauer belasten. Gemeindefreundliches Verhalten eines Kreistages heißt für mich, dass man nicht ohne rechtliche Not die durch Ratsbeschluss artikulierten städtischen Interessen beiseite fegt.

    Haben Sie eine Erklärung für den juristischen Sinneswandel des Landrates, der von einem angeblich für ihn ergebnisoffenen Verfahren nunmehr zu einem angeblichen Anspruch der Firma Reese kommt ?

    Nein. Aber mein Sohn hat die Windel noch nie so voll gehabt, wie man den Eindruck vom Schreiber dieser Kreistagsvorlage hat. Vielleicht ist Landrat Schöttelndreier einfach nicht umfassend beraten worden. Ich gehe aber davon aus, dass die Kreistagsmitglieder mehr Mumm haben und der Verwaltungsvorlage nicht folgen werden. Schaumburger Zeitung, 14.06.2005

 

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    "Ich empfehle, diese Vorlage abzulehnen"

    SPD-Chef Bartling appelliert an Kreistagsfraktion

    Landkreis/Rinteln (wer) . SPD-Unterbezirksvorsitzender Heiner Bartling bleibt dabei: "Es darf keine neuen Wunden in der Landschaft geben." Bartling bekräftigt den Beschluss des SPD-Unterbezirksvorstandes vom 26. August 2004, in dem weiterer Kiesabbau im Möllenbecker Wald abgelehnt wurde. Schaumburgs SPD-Chef appelliert auch an die Kreistagsfraktion, diesem Weg zu folgen: "Ich empfehle, diese Vorlage abzulehnen."


    Foto:Heiner Bartling

    Die Kreisverwaltung argumentiere juristisch, doch politisch sollte eine andere Auffassung vertreten werden, fordert Bartling: "Das ist ein Konflikt, den man austragen muss." Der SPD-Chef hatte sich schon vorigen Sommer entschieden gegen weiteren Kiesabbau ausgesprochen und auf die Belastung durch vorhandene Abbauprojekte gerade in der Stadt Rinteln hingewiesen. Der Vorstand des SPD-Unterbezirks war Bartling in dieser Auffassung einmütig gefolgt. Jetzt will sich Bartling gegenüber der Kreistagsfraktion, in der das Thema noch nicht intensiv diskutiert worden sei, für den Parteibeschluss einsetzen.  Schaumburger Zeitung, 11.06.2005

 

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    Empörung und Wut: Klage gegen Landkreis?

    Heftige Reaktionen der Rintelner Fraktionsvorsitzenden auf Kreisempfehlung für Reese-Abbau

    Rinteln (wer). Der Frust ist groß: Die Empfehlung der Kreisverwaltung für weiteren Kiesabbau in den Kameshügeln stößt bei den Rintelner Fraktionsvorsitzenden auf harsche Ablehnung, der Umgang mit den eigenen Argumenten auf Empörung. Mehrere Ratspolitiker wollen prüfen, ob eine Klage gegen den Landkreis möglich ist.

    SPD-Fraktionschef Klaus Wißmann hat die Haltung der Kreisverwaltung, die den Reese-Abbau vor allem aus rechtlichen Gründen befürwortet, "mit Entsetzen" gelesen: "Das muss politisch entschieden werden, im Zweifel müssen wir es auf einen Rechtsstreit ankommen lassen." Dass der Landrat die Rintelner Position als unrechtmäßig bezeichne, sei seine "persönliche Meinung", kritisiert Wißmann: "Unsere ist eine andere." Es sei "seltsam", dass der Landkreis immer wieder betone, wie wichtig ihm die Rintelner Interessen seien, und sie dann einfach "vom Tisch fegt": "Unsere Position ist überhaupt nicht gewürdigt worden, die Verwaltung hätte sich zumindest mit den Problemen auseinander setzen müssen." Wißmann will prüfen lassen, ob im Zweifel eine Klage der Stadt gegen den Landkreis möglich ist.

    CDU-Fraktionschef Thorsten Frühmark zeigt sich "ziemlich enttäuscht von Herrn Schöttelndreier". Wer sich "so weit aus dem Fenster gehängt" und die Bedeutung der Rintelner Entscheidung betont habe, von dem sei anderes zu erwarten gewesen. Die "Nicht-Beachtung" der Rintelner Argumente habe auch zu falschen Darstellungen geführt: Das Argument der Standortsicherung für Braas (das in der Vorlage weiter aufgeführt wird) sei weggefallen: "Ich habe selbst Gespräche mit Braas geführt, das Argument gibt es nicht mehr."

    Auch WGS-Fraktionschef Heinrich Sasse ist sauer auf die Kreisverwaltung: "Ich bin es leid, dieüblichen Drohungen über Schadensersatzansprüche vorgelegt zu bekommen."

    Die juristische Argumentationüberzeuge ihn nicht, aus dem Landesraumordnungsprogramm könnten keine Ansprüche Dritter abgeleitet werden, sagt der Rechtsanwalt. Aus purer "Angst vor Haftung" seien die Rintelner Argumente wie die "Betriebsreduzierung von Braas" unter den Tisch gefallen. Wie Wißmann will auch Sasse alle rechtlichen Möglichkeiten gegen den Landkreis prüfen: "Wir müssen in dieser Sache den Rücken gerade machen und alle Rechtsmittel ausschöpfen."

    Der Verwaltungsrechtsexperte und WGS-Ratsherr Gert Armin Neuhäuser stellt der Kreisverwaltung juristisch ein schlechtes Zeugnis aus: "Die vom Landrat gegebene Begründung für die Löschung des Landschaftsschutzgebietes vermischt rechtlich unsauber Gesichtspunkte des Verwaltungsverfahrens mit solchen der Rechtssetzung", kritisiert Neuhäuser. "Die Vorlage ist geeignet, die Kreistagsmitglieder in die Irre zu führen." Unerklärlich sei für ihn auch, dass der Landkreis "immer laut tönt, dass die Gemeinde-interessen vorgehen, um sie dann in einer Pseudoabwägung in die Tonne zu treten."

    "Sehr enttäuscht" äußert sich auch SPD-Stadtverbandsvorsitzender Wolfgang Foerstner. Dass die Kreisvorlage den Antrag des Stadtverbandes, die Erweiterungsfläche als Naturschutzgebiet auszuweisen, nicht thematisiert, dafür fehle ihm jedes Verständnis. "Man bekommt das Gefühl, dass die berechtigten Belange der Bürger hier nicht ernst genommen werden."

    Fünf Jahre seien nach der letzten Diskussion um Reese ins Land gegangen, man müsse in Rechnung stellen, dass sich die Umstände und das Bewusstsein geändert hätten. "Aber der Berg scheint die Sicht auf die Realitäten hier zu verstellen", ärgert sich der langjährige Vorsitzende der SPD-Kreistagsfraktion.

    Eine Vorentscheidungüber die umstrittene Vorlage fällt am kommenden Mittwoch der Kreisumweltausschuss, der um 17 Uhr im Kaminzimmer des Klosters Möllenbeck tagt. Schaumburger Zeitung, 11.06.2005