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Schaumburger Zeitung in Rinteln
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Abbaustopp in Bernsen – oder doch Erweiterung?
Von Frank Werner
Bernsen/Landkreis. Mit dem „Nein“ des Kreistages im Sommer 1999 schienen die Erweiterungspläne für den Steinbruch Bernsen vom
Tisch zu sein. Doch das letzte Wort über die Ausweitung des Abbaus war damit nicht gesprochen – jedenfalls nicht für den Betreiber, der Widerspruch eingelegt hat. Die zuständige Bezirksregierung Hannover hat
über den Antrag bis jetzt nicht entschieden. Dafür hat sie „Kompromissvorschläge“ unterbreitet, die auf eine Expansion des Abbaus in anderer Form zielen.
Foto:Steinbruch Bernsen: Die Restlaufzeit liegt offiziell bei vier bis fünf Jahren. Aber das letzte Wort über die Erweiterung ist
noch nicht gesprochen. Foto: tol
Theoretisch könnten die Splitt- und Schotterwerke Hamelspringe & Bernsen den Kreistagsbeschluss über das Widerspruchsverfahren
aushebeln. Die Bezirksregierung könnte bei rechtlichen Bedenken eine „fachaufsichtliche Anweisung“ erteilen, die eine Abbauerweiterung gegen den Willen der Kommunalpolitiker ermöglicht. Ob es dazu kommt, ist
fraglich – aber nicht ausgeschlossen. „Nach unserem jetzigen Erkenntnisstand würde der Widerspruchsantrag abgelehnt“, erklärt Christian Berndt, zuständiger juristischer Dezernent der Bezirksregierung, auf
Anfrage unserer Zeitung. Für eine Erweiterung bestehe derzeit „keine Genehmigungsgrundlage“. Weniger entschieden klingt dagegen die Einschätzung von Hans-Theo Stracke, Dezernatsleiter für Naturschutz. Stracke
unterstreicht den Willen der Bezirksregierung, mit dem Antragsteller zu einer „gemeinsamen Lösung“ zu finden. Man habe dem Steinbruchbetreiber „einen Kompromissvorschlag“ unterbreitet. Konkreter wollte sich der
Dezernatsleiter mit Hinweis auf das laufende Verfahren dazu nicht äußern. Momentan ruht das Widerspruchsverfahren. „Wir haben eine Auszeit vereinbart“, erklärt Uwe Wöbke, Chef der Splitt- und Schotterwerke
Hamelspringe & Bernsen. Wöbke lässt durchblicken: „Die bisherigen Vorschläge der Bezirksregierung haben meine Erwartungen übertroffen.“ Der Steinbruchbetreiber rechnet sich durchaus Chancen aus, die
Erweiterung in zweiter Instanz durchsetzen zu können. In jedem Fall wolle man an dem Ziel festhalten. Schon aus dem „Gebot der Gleichbehandlung“ müsse die Ausweitung genehmigt werden – immerhin hätten die
Nachbarn, die Schaumburger Steinbrüche in Steinbergen, ebenfalls erweitern dürfen.
Die Bezirksregierung brachte vor einiger Zeit eine Abbauvariante ins Spiel, die statt der beantragten Ausweitung am Steilhang eine
Expansion nach Norden zur Autobahn vorsah. Der Landkreis und die Stadt Rinteln wiesen den Vorschlag jedoch ab. Begründung: Dem Abbau zur A 2 würde der vorgelagerte Hügel zum Opfer fallen, der bis jetzt als
Sichtschutz fungiere. Im Gespräch mit unserer Zeitung zeigte sich Stracke nicht gerade erbaut über die entschieden ablehnende Haltung der Kommunen in diesem Punkt. Die Bezirksregierung ist offensichtlich um
Konsens bemüht, will ein Gerichtsverfahren vermeiden. Stracke verweist auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Lüneburg vom Dezember 2000, das in einem Fall (im damaligen Landkreis Hannover) Eingriffe in den
Naturhaushalt ohne „Teillöschung“ des Landschaftsschutzgebietes tolerierte. Die Richter reduzierten die Funktion der älteren Landschaftsschutzverordnung, die keine eindeutigen Zweckbestimmungen formulierte, auf
die Wahrung des Landschaftsbildes. Das Landschaftsbild wiederum, so argumentiert die Bezirksregierung weiter, könne man in Bernsen angesichts des vorhandenen Steinbruchs und der Autobahn schon jetzt als
beschädigt betrachten – womit auch die optische Schutzfunktion relativiert würde. Eine Rechtsauffassung, die bei hiesigen Behörden auf wenig Gegenliebe stößt. Nach dieser Logik könnte jede Abbauerweiterung im
Landschaftsschutzgebiet genehmigt werden – und zwar ohne Einschaltung des Kreistages. Die Kommunalpolitik wäre entmachtet, Abbauvorhaben könnten auf bürokratisch-juristischem Weg von übergeordneten Instanzen
durchgesetzt werden. Die Gefahr, dass die eigenen Landschaftsschutzverordnungen keine Garantie mehr bieten, Gesteinsabbau auf die Agenda des Kreistages zu setzen, wird beim Landkreis durchaus ernst genommen. Um
eine mögliche Schwachstelle auszumerzen, überarbeitet man in Stadthagen vorsorglich die für die Westendorfer Egge gültige Landschaftsschutzverordnung. Unabhängig vom OVG-Urteil sieht Christian Berndt aber kaum
Chancen für eine Erweiterung in Bernsen – egal, ob an der Steilwand oder in Richtung Autobahn. Nach der Diskussion um alternative Abbaumöglichkeiten hat der Landkreis nämlich sein Regionales Raumordnungsprogramm
novelliert, das rund um den Steinbruch Vorranggebiete für Natur und Erholung ausweist. Daran führe kein Weg vorbei, meint Berndt. Auch vor Gericht hätte der Steinbruchbetreiber in dieser Hinsicht „sehr schlechte
Karten“.
Eine Klage wolle man „nach Möglichkeit vermeiden“, erklärt Wöbke. Bis die Sache vor dem Oberverwaltungsgericht entschieden wäre,
würden acht Jahre ins Land ziehen. So lange will der Steinbruchbetreiber nicht warten – obwohl man, wie Wöbke betont, bei der Entscheidung über den Widerspruch keineswegs unter Zeitdruck stehe. Immerhin habe der
Steinbruch in Bernsen, der momentan mit gedrosselter Produktion betrieben werde, noch eine Restlaufzeit von vier bis fünf Jahren. Schaumburger Zeitung, 16.02.2002
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IHK für mehr Gesteins- und Kiesabbau
Kreistag entscheidet am Dienstag über mögliche massive Ausweitung
rund um Rinteln
Rinteln/Landkreis (wer). Wenn der Kreistag am Dienstag das Regionale Raumordnungsprogramm (RROP) verabschiedet, entscheidet er
auch darüber, ob der Gesteins- und Kiesabbau rund um Rinteln massiv ausgeweitet werden soll. Vor allem die Industrie- und Handelskammer Hannover fordert eine großzügige Festlegung neuer Flächen – die
Kreisverwaltung lehnt jeden Expansionswunsch ab.
Im Verfahren zur Neuaufstellung des RROP hat der Landkreis rund 300 Behörden, Verbände und Kommunen um Stellungnahme gebeten. Von 468
Einwänden blieben nach Erörterungsterminen 39 strittige Punkte übrig – die meisten davon beziehen sich auf Fragen des Rohstoffabbaus in Rinteln. Über die Konfliktpunkte muss der Kreistag entscheiden, bevor das
RROP als Satzung verabschiedet wird.
Das Landesamt für Bodenforschung, die Verbände der Rohstoffindustrie und vor allem die IHK Hannover fordern im Beteiligungsverfahren
die Vergrößerung bestehender und Ausweisung neuer Rohstoff-Vorranggebiete. Einige Expansionswünsche im Einzelnen:
Die weitestgehende Forderung stellt die IHK auf: Alle Hartgesteinslagerstätten zwischen Steinbergen und Rohden sollen als
Vorranggebiet ausgewiesen werden. Insbesondere sei die Erweiterung der Steinbrüche Steinbergen, Bernsen und Rohden erforderlich – aber auch neue Abbauflächen in den Weserbergen sollen festgelegt werden.
Das Landesamt für Bodenforschung und die IHK sprechen sich für die Vergrößerung des Kiesabbaugebietes „SHG 4“ aus. Die Verkleinerung
und Teilung der Fläche am Doktorsee durch die Westumgehung habe den Abbau unrentabel gemacht, deshalb soll das Gebiet nach Westen erweitert werden.
Entscheiden wird der Kreistag auch über fortgesetzte Begehrlichkeiten, das „Dachtelfeld“ für Gesteinsabbau zu reservieren: Der
Wirtschaftsverband Naturstein-Industrie, der Industrieverband Sand, Kies, Mörtel Transportbeton Nord, die Forstgenossenschaft Hülsede-Meinsen und das Landesamt für Bodenforschung wünschen die Festlegung eines
Vorranggebietes.
Landesamt und IHK wollen auch für den (vom Kreistag vor Jahren begrenzten) Steinbruch Bernsen Erweiterungsmöglichkeiten nach Osten
und nach Norden schaffen.
Die IHK schlägt die Ausweisung eines neuen Kiesabbaugebietes zwischen Exten und dem Weserbogen vor und beruft sich dabei auf einen
RROP-Entwurf des Landkreises von 1988.
Während das Landesamt für eine Streichung der Abbaufläche südlich von Engern (zwischen dem Ort und den vorhandenen Kiesteichen)
plädiert, fordert der Industrieverband die weitere Ausweisung: Die Fläche sei für die Sicherung des Standortes der Firma AHE Schaumburger Weserkies unverzichtbar.
Die IHK macht sich für eine Vergrößerung des Vorranggebietes im Weserbogen westlich von Ahe stark. Im Vergleich zum LROP 1994 sei die
Fläche ohne nachvollziehbare Begründung verkleinert worden.
In keinem der strittigen Punkte folgt die Kreisverwaltung in ihren Beschlussvorschlägen für den Kreistag den Wünschen der
Abbau-Lobbyisten. Bleibt es dabei, wird im neuen RROP keine strittige Lagerstätte erweitert, höher eingestuft oder neu ausgewiesen. Im Gegenteil: Die Abbaufläche am Doktorsee soll aus den Plänen gestrichen
werden (wir berichteten), ebenso die kleine Fläche südlich Engerns.
Nicht als strittig gilt die Expansion des Kieswerkes Reese im Möllenbecker Wald: Hier soll im RROP eine Erweiterungsmöglichkeit in
Richtung Krankenhagen festgeschrieben werden, die hinter der Landesplanung zurückbleibt, aber deutlich über die Grenzen des regional erstellten Bodenabbauleitplanes Weser hinausgeht.
Schaumburger Zeitung, 28.06.2003
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Das SN-Interview mit Elke Reineking am 12.Juni 1999:
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Der Text:
Die Initiative für den Erhalt des Wesergebirges hat 1998 bereits 1248 Unterschriften
gegen die Ausweitung des Gesteinsabbaus übergeben. Am 30 Juni sollen weitere 1500 an den Kreisumweltausschuss übergeben werden. Es geht der Initiative nicht nur um
den Steinbruch Bernsen, sondern um das gesamte Wesergebirge. Über die Problematik Gesteinsabbau und seine Folgen sprach im Vorfeld der Podiumsdiskussion am 13.Juni
im Steinbruch Bernsen SN-Redakteur Dietrich Lange mit Elke Reineking, der Sprecherin der Initiative.
“Jede neue Genehmigung ist eine zu viel”
SN: Es gibt nicht viele Gebirge mit dem für Straßenbau so gut geeigneten Korallenoolithstein
wie hier. Die Nachfrage ist da, muß da nicht der Naturschutz zugunsten der Versorgung anderer Regionen zurückstehen?
Reineking: Klar und deutlich nein. Warum auch? Ein bewußter, vernünftiger Umgang mit
unseren Ressourcen und die konsequente Verwendung von Ersatzstoffen wie Bauschutt, Stichwort Revycling, würde eine weitere Zerstörung von schützens- und erhaltenswerter
Landschaft in den Ausmaßen, wie sie bei uns schon stattgefunden haben, nicht nötig machen.
SN: Von Befürwortern der Steinbrucherweiterung ist zu hören, daß die Bürgerinitiative und
örtliche Kommunalpolitiker hier einen Präzedenzfall zur Ablehnung eines Rohstoffabbaus schaffen wollen, und das auf dem Rücken der Arbeitnehmer. Stimmt das? Können Sie das verantworten?
Reineking: Wenn Sie unter Präzedenzfall verstehen, daß mit der Ablehnung ein Signal gegen
die weitere Zerstörung unserer Landschaft gesetzt werden soll, dann stimmt das wohl. Was die Arbeitsplätze angeht, so wird von unserer Seite keinesfalls leichtfertig argumentiert.
Festzustellen ist aber: Im Steinbruch selbst sind nur wenige Menschen beschäftigt. Auch die Zustimmung zu einer Erweiterung würde ihnen nur für einen kurzen Zeitraum Arbeit garantieren.
Zerstört würden die Arbeitsplätze von vielen Menschen in der heimischen Gastronomie und in den tourismusabhängigen Branchen. Denn wer macht da Urlaub, wo die Landschaft über die
Maßen zerstört ist? Immerhin wird im Landkreis derzeit schon an 13 Stellen abgebaut, allein in Rinteln existieren neun Steinbrüche, Kieswerke und Tongruben.
SN: Wodurch sollen die gefährdeten Arbeitsplätze ersetzt werden? Woher soll Ersatzmaterial für den Straßenbau kommen?
Reineking: Die Berneburg-Gruppe ist ein weit verzweigtes Unternehmen, verfügt über weitere
Steinbrüche und Straßenbaufirmen. Außerdem hat mir Herr Wöpke berichtet, daß er einen neuen Steinbruch außerhalb unserer Region aufschließen will. Es sollte doch möglich sein, dort
Beschäftigung für die Betroffenen zu finden. Hinzu kommt: Noch ist der Steinbruch Bernsen nicht vollständig ausgebeutet. Das Unternehmen will derzeit nur nicht die etwas schlechteren,
aber zum Abbau freigegebenen Lagerstätten angreifen. Recycling ist das Gebot der Zukunft und wird bereits dort verstärkt praktiziert, wo keine Lagerstätten ausgebeutet werden können.
SN: Der Steinbruchbetreiber hat einen neuen Antrag gestellt: Nur noch 3,3 Hektar Erweiterung,
weniger stark einsehbar, bald keine Sprengungen mehr, und von jeder verkauften Tonne Gestein bekommt der Landkreis einen Obulus für den Naturschutz gespendet. Außerdem erhält Bernsen
jetzt Trinkwasser von Ölbergen. Das hat schon einige Politiker ins Grübeln gebracht - die Bürgerinitiative nicht?
Reineking: Natürlich hat uns das ins Grüberln gebracht. Wenn jemand freiwillig spendet,
scheinen die mit einer Genehmigung verbundenen Gewinnaussichten wohl sehr hoch zu sein. Wasser aus Ölbergen, das heißt doch, daß das Trinkwasser aus dem Bernser Brunnen nicht
mehr uneingschränkt nutzbar ist. Und das soll für einen weiteren Abbau sprechen? Wir meinen: Nein.
SN: Nach dem Gesteinsabbau wird ein Steinbruch doch auflagenmäßig rekultiviert, bietet in den
Augen der beauftragten Landschaftsplaner noch wertvollere Lebensräume für seltene Tier- und Pflanzenarten als vorher. Reicht das nicht?
Reineking: Rekultivierung ist kein Zauberwort. Auch nach solchen als mehr oder weniger
erfolgreich zu bezeichnenden Maßnahmen bleiben Wunden und Narben in der Landschaft zurück. Schäden am Ökosystem Wald und wegen der lauernden Gefahren erhebliche
Nutzungseinschränkungen für Erholungssuchende. Diese Schäden und Beeinträchtigungen sind irreparabel.
SN: An der Podiumsdiskussion wollen sie nicht teilnehmen. Wo sind sie denn am Sonntag um 11 Uhr?
Reineking: Wählen.
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