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Deister- und Weserzeitung in Hameln        Dewezet

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Eine Reportage in der Dewezet:

Wanderung von Loch zu Loch: Das Weserbergland wird zum Schweizer Käse

Nur Oberberg und Möncheberg sind noch unberührt

Weserbergland . Beginn der Wanderung entlang von Wesergebirgskette und Süntel ist ganz im Westen, in Nordrhein-Westfalen, wo mit der Wülpker Egge ein besonders schlimmes Beispiel hemmungslosen Raubbaus zu besichtigen ist. Erstmals wurde an der Wülpker Egge die Abtragung des Kamms genehmigt. Der Grund: Die Betreiberfirma hatte Abbaugrenzen nicht eingehalten, der Berg drohte abzurutschen. Durch Abtragung des Kamms soll ein Zusammenbrechen des Berges verhindert werden. Das dabei gewonnene Gestein darf von der Firma vermarktet werden. Die Folgen der Kammabtragung für den Wasserhaushalt, fürs Mikroklima und die Vegetation sind nicht absehbar.

Ausgehend von einem stillgelegten Steinbruch wird der Papenbrink von nordrhein-westfälischer Seite her oberhalb des Rintelner Ortsteils Todenmann unterirdisch ausgehöhlt. 7,5 Millionen Tonnen Gestein sollen in 15 Jahren dem Berg entrissen werden – von der gleichen Firma, die an der Wülpker Egge Abbaugrenzen überschritten hat.

In Sichtweite des Papenbrinks wird die Tonkuhle Todenmann erweitert, das Genehmigungsverfahren für eine Vervierfachung der Fläche steht vor dem Abschluss. Bis auf 150 Meter nähert sich die Kuhle der Wohnbebauung, wenige Meter von dem Platz entfernt, wo Franz von Dingelstedt sein Weserlied dichtete.

Die Luhdener Klippe: Noch ist dieser Bergzug, auf dem das Rintelner Wahrzeichen, der Klippenturm, thront, vom Gesteinsabbau verschont worden. Als Lagerstätte steht er allerdings auf der Wunschliste der Industrie, soll im Rahmen der langfristigen Rohstoffsicherung als Abbaugebiet festgelegt werden.

Schon von weitem sichtbar sind die Zerstörungen durch den Steinbruch am Messingsberg neben der A 2 bei Steinbergen. Auch hier rutscht der Berg, sollen Gegensprengungen eine Katastrophe verhindern. Der Kammweg ist gesperrt, Bäume vertrocknen und drohen einzugehen, in Gutachten wird der vollständige Abbau des Kamms diskutiert. Wie ein Mahnmal ragt auf dem einzigen noch unversehrten Teilstück des Berges das Steinzeichen Steinbergen empor – der Versuch der Steine- und Erdenindustrie, mit einem Freizeitpark eine touristische Nachnutzung für die zerstörte Natur anzubieten.

Die Westendorfer Egge: Nach Angaben des früheren Betreibers sollte der Steinbruch schon 1999 geschlossen werden, weil eine Erweiterung abgelehnt worden war. Tatsächlich aber wird weiter abgebaut, in die Tiefe und an den Rändern bis an den Kamm heran. Der Kammweg wurde gesperrt, Sicherungsarbeiten sollen ein Abrutschen verhindern. Ein Trinkwasserbrunnen wurde geschlossen.

Ausgehend vom alten Steinbruch in Rohden wollten Unternehmen schon 1993 den Möncheberg (mit Paschenburg und vorgelagert der Schaumburg) und den Oberberg abbauen. Massive Bürgerproteste haben seinerzeit die Erschließung verhindert, dem Trinkwasserschutz wurde Vorrang eingeräumt. Gerettet sind die Berge damit nicht: Auf der Wunschliste der Industrie stehen sie ganz oben, die Unterschutzstellung durch die FFH-Richtlinie wurde vom Land verweigert.

Der Riesenberg - Der Steinbruch zwischen Langenfeld und Segelhorst mitten im Süntel ist wie der Name des Berges besagt schon heute riesig. Eine Erweiterungsgenehmigung wurde bereits erteilt, der Steinbruch kann sich um die 2,5-fache Größe ausweiten. Die Kapazitäten reichen noch für mindestens 25 Jahre. Interessant: Im Steinbruch befinden sich Schillat- und Riesenberghöhle. Die Schillathöhle soll – Bonbon der Industrie – zum Touristenmagnet werden.

Der Mattenberg - Oberhalb des Bad Münderschen Ortsteils Hamelspringe hat sich der Steinbruch im Laufe weniger Jahre zu einer riesigen Kraterlandschaft entwickelt. Bereits heute bestehen Genehmigungen für die nächsten 23 Jahre.

Vorerst gerettet ist das Dachtelfeld im Süntel. Die Landesregierung hat beschlossen, die dem Riesenberg benachbarte Fläche nicht als Lagerstätte ins aktuelle Raumordnungsprogramm aufzunehmen. Abbauen wollte im Dachtelfeld die Wegener-Gruppe, die den in wenigen Jahren ausgebeuteten Steinbruch im Ith betreibt. Statt im Dachtelfeld kann die Wegener-Gruppe künftig in der Finie bei Alferde abbauen.

Zu den aktiven und geplanten Abbauflächen gesellen sich längs des Wesergebirges und im Süntel aufgelassene Steinbrüche, wie etwa bei Pötzen und Welliehausen. Auch am Ith ist schützenswerte Natur für alle Zeiten zerstört worden. Hinzu kommen große Abbaubetriebe im Kahlenberg bei Möllenbeck oder in Vahlbruch. Ganz zu schweigen von den ungezählten Kieslöchern entlang der Weser, zu denen sich in den nächsten Jahren weitere gesellen werden: Der Bodenabbauleitplan Weser, der den Kiesabbau im Wesertal verbindlich und nach Zeitstufen geordnet regelt, sieht die Ausbeutung nahezu sämtlicher Weserbogen vor – das Wesertal wird dadurch zur Seenplatte. Dewezet, 20.05.2004

Steinbrüche in der Region

 

 

Deister- und Weserzeitung in Hameln        Dewezet

 

 

 

 

 

 

 

    Eine Reportage in der Dewezet:

    Von Lobbyisten, Geld und Wasser

    Forstämter profitieren vom Raubbau

    Weserbergland. Mit den Steinbrüchen im Messingsberg, in der Westendorfer Egge, im Riesenberg, im Mattenberg, im Ith und auf der Ottensteiner Hochebene gibt es, wie in den vorangegangenen Folgen unserer Serie beschrieben, genügend Kapazitäten, um den zu erwartenden Bedarf an Hartgestein für die niedersächsische Bauwirtschaft über Jahrzehnte hinaus abzudecken. Dennoch werden die Lobbyisten der Steine- und Erdenindustrie nicht müde, den Aufschluß immer neuer Steinbrüche zu fordern und auch die letzten noch intakten Berge in den Kreisen Schaumburg und Hameln-Pyrmont zum Abbau freizugeben.

    Suentel

    Besonders engagiert in der Lobbyarbeit zeigt sich die Industrie- und Handelskammer Hannover, die nach dem Regierungswechsel im vergangenen Jahr einen Forderungskatalog aufgestellt hat, der sich für Gegner von Gesteinsabbau an der Weserbergkette und von Kiesabbau im Wesertal wie ein Horrorkatalog liest: Jeder Berg soll freigegeben werden, jedes Kiesvorkommen im Tal ausgebeutet werden - freie Fahrt für die weitere Natur- und Landschaftszerstörung.

    Die Genehmigungsbehörden haben diesen Forderungen in der Vergangenheit erstaunlich wenig Widerstand entgegengesetzt. Egal welche Partei die Landesregierung stellte, die Interessen der Steine- und Erdenindustrie wurden stets mit grossem Wohlwollen betrachtet. So hatte sich noch in der Ära Gabriel auf Ministeriumsebene eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe gebildet, die klammheimlich Erweiterungen der bestehenden Steinbrüche in Süntel und im Wesergebirge und den Aufschluss neuer auf den Weg bringen wollte, was letztlich in dem Plan einmündete, das Dachtelfeld zum Abbau freizugeben. Verbrämt wurde dieses Vorgehen mit dem Hinweis, man wolle ,,die Wettbewerbssituation in der niedersächsischen Steinbruchindustrie sichern“. Ein Vorhaben, das die beteiligten Unternehmen selbst untergraben haben: Die Hartsteinbrüche der Berneburg-Gruppe (Westendorfer Egge und Mattenberg) schlüpften unters Dach der Schaumburger Steinbrüche Steinbergen, diese widerum gingen in der Norddeutschen Naturstein GmbH (NNG) auf, die mit Firmensitz in Sachsen-Anhalt heute über ein Imperium an Abbaustätten in nahezu allen norddeutschen Bundesländern verfügt, die Veredlung des gebrochenen Gesteins ebenso betreibt, wie über ihre Anteilseigner in Straßenbau und Entsorgungswirtschaft aktiv ist. Kurzum: Die Wettbewerbssituation ist nicht mehr gegeben, die gesamte Wertschöpfungskette rund ums Gestein wird von der NNG (siehe pdf-Datei hier) )und ihren Gesellschaftern genutzt.

    Dass die Landesbehörden bei anstehenden Genehmigungsverfahren weiteren Abbauvorhaben durchaus positiv gegenüberstehen, liegt in einer Besonderheit: Die für Steinbrüche benötigten Waldflächen liegen überwiegend im Staatsforst, Förderzins und Pacht entlasten in hohem Masse den Finanzminister, der die chronisch defizitären Forstämter dank üppig fliessender Zahlungen der Steinbruchindustrie geringer alimentieren muss.

    Dabei treten die Risiken durch weiteren Abbau im Genehmigungsverfahren deutlich in den Hintergrund. Risiken, deren gesamte Tragweite heute noch gar nicht abschätzbar, geschweige denn ausreichend untersucht worden sind. Sicher ist so viel: Allen Beteuerungen zum Trotz können die Steinbrüche nicht rekultiviert werden. Anpflanzungen und Aufschüttungen mit Abraum haben allenfalls Feigenblattfunktionen . Zurück bleiben Steilwände, die zwar dem Uhu neuen Lebensraum schaffen, ansonsten aber auf Sicht dazu führen, dass die Kämme der Weserberge erodieren, die Wälder durch Austrocknung absterben, die Filterfunktion des Waldes fürs Trinkwasser nachlässt, sich möglicherweise Veränderungen im Mikroklima einstellen und Natur- und Erholungsräume für Mensch und Tier in der am dichtesten besiedelten Region Niedersachsens für immer verloren gehen.

    Als 1990 der Möncheberg zwischen Rohden und Deckbergen als Steinbruch aufgeschlossen werden sollte, hat die Landesregierung nach erheblichen Protesten aus der Bevölkerung eingelenkt. Grund dafür war eine wissenschaftliche Arbeit, die nachwies, dass der Berg eine entscheidende Funktion für die Trinkwassergewinnung im Wesertal hat. Dem Trinkwasserschutz wurde daher der Vorrang eingeräumt . Angesichts des immer knapper werdenden Gutes Trinkwasser könnte der Schutz desselben in den kommenden Jahren die Diskussion um weiteren Gesteins- und Kiesabbau in unserer Heimat beherrschen: Ungehemmter Abbau kann auf Dauer die Trinkwasservorkommen im Wesertal schädigen – weil halbierte Berge ihrer Aufnahme- und Reinigungskapazität beraubt werden, weil die Kiesschichten in der Weserniederung ihre Filterfunktion nicht mehr wahrnehmen können. Dewezet, 29.05.2004