Deister- und Weserzeitung      Hameln

     

    Intakte Natur oder neuer Steinbruch?  

    Weserbergland. „Die Landschaft erfreut den Betrachter durch ihre Vielseitigkeit und durch ständig wechselnde Bilder. Sanft neigen sich die Hänge..., bedeckt von großen zusammenhängenden Waldungen, die nur manchmal den Blick auf kleinräumige Täler freigeben .“ In den höchsten Tönen schwärmt die Bezirksregierung auf ihrer Internet-Seite vom „Naturpark Weserbergland Schaumburg-Hameln“. Zwischen Deister und Bückebergen liege ein „ideales Erholungsgebiet“ in „gesunder Landschaft“.

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    Am Dachtelfeld (auf der Karte markiert) zwischen Langenfeld und Bakede könnte es schon bald so aussehen.

    Geht es nach dem Willen der Landesregierung, verschlechtert sich der Gesundheitszustand dramatisch. In einigen Jahren gräbt sich ein gewaltiger Steinbruch in das Natur-Idyll, zwischen den sanften Hängen und Tälern wächst ein riesiger Abbaukrater. Am Dachtelfeld im nördlichen Süntel, in einem der wenigen noch unberührten Waldgebiete des Weserberglandes, soll eine Fläche von 105 Hektar (etwa 150 Fußballfelder) für den Gesteinsabbau freigegeben werden. Naturschützer, Kommunalpolitiker aller Parteien und Innenminister Heiner Bartling protestieren energisch – doch bis jetzt gibt es keine Anzeichen für eine Kurskorrektur. Eine Vorentscheidung könnte schon in diesem Monat fallen, wenn der Entwurf zum neuen Landesraumordnungsprogramm (in dem das Dachtelfeld als Rohstoff-Vorranggebiet deklariert wurde) im Kabinett beraten wird.

    Das Land selbst verdient am Abbauprojekt, erhält für jede Tonne Gestein einen Förderzins. Die Region bezahlt mit einer über Generationen zerstörten Natur. Aktenkundig wurde die große Bedeutung des „Dachtelfeldes“ als Natur- und Erholungsgebiet durch die Aufnahme in den ersten Entwurf für heimische Schutzgebiete nach der EU-Richtlinie „Flora-Fauna-Habitat“. Das FFH-Gebiet „Süntel-Wesergebirge-Deister“, zu dem das Dachtelfeld ursprünglich gehörte, bewertet die Bezirksregierung als „eines der bedeutendsten Kalkfels- und Buchenwaldgebiete Niedersachsens“. Die Schutzfläche enthalte ein „durch abwechslungsreiches Relief vielfältig gegliedertes Waldgebiet“ mit üppigen Buchenbeständen und „tief eingeschnittenen Bachtälern“, heißt es in einer Kurzbeschreibung des Gebietes. Passgenau zur geplanten Abbaufläche wurde das Dachtelfeld aber schließlich aus den FFH-Plänen gestrichen. Immerhin: In einem Brief an den Schaumburger SPD-Landtagsabgeordneten Alfred Reckmann erkennt Ministerpräsident Sigmar Gabriel auch die Nähe zum FFH-Gebiet noch als Argument gegen die Ausweisung eines Rohstoffgebietes an – „da sie die Frage nach der Verträglichkeit zwischen einer raumordnerischen Festlegung und den Erhaltungszielen des FFH-Gebietsvorschlages aufwirft“. In der Abwägung der Interessenkonflikte bescheinigte Gabriel dem Dachtelfeld dann allerdings „das günstigste Resultat“ aller untersuchten Lagerstätten in Niedersachsen. Dabei ist die mögliche Abbauzone nicht nur nach EU-Maßstäben schutzwürdig, sondern grenzt auch bis auf wenige hundert Meter an ein weit über die Region hinaus bekanntes Naturschutzgebiet: den „Hohenstein“, dessen steil abfallende Klippen zu den Wahrzeichen des Weserberglandes zählen. Obwohl das Niedersächsische Forstamt Oldendorf sich bisher keinen Ruf als konsequenter Gegner des Gesteinsabbaus erworben hat und als Landesbehörde eine ambivalente Rolle spielt – in diesem Fall kann Büroleiter Heinz-Ulrich Alweswerth seine Kritik nicht verhehlen. Die Abbaupläne zielten auf eines der wenigen zusammenhängenden, „noch intakten Waldgebiete“, das besonders wegen seiner alten Baumbestände „sehr, sehr wertvoll“ sei. Kein Widerstand ist von den privaten Waldbesitzern zu erwarten. Die Forstgenossenschaft Hülsede-Meinsen, deren Mitglieder über mehr als die Hälfte der potenziellen Rohstoff-Fläche verfügen, hat nach Auskunft ihres Vorsitzenden Fritz Flügge „einstimmig“ für die Abbaupläne votiert. Der Grund für die bereitwillige Haltung: „Das bringt Geld für uns.“ Die privaten Waldbesitzer werden vom Abbauunternehmen fürstlich entschädigt. Die Initiativen „Schaumburger Freunde für den Erhalt des Wesergebirges“ und die „Arbeitsgruppe Bad Münder“ lehnen jeden weiteren Gesteinsabbau ab – egal an welchem Berg. Die Gegner des Abbaus sagen: Der Bruch in Segelhorst kann länger als die geplanten 15 Jahre liefern. Der Bruch in Hamelspringe wird nach Auskunft des Firmenchefs Uwe Wöbke noch mindestens 23 Jahre in Betrieb bleiben. Dewezet, 07.03.2002

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