“Max und Moritz” 1998

Artikel aus dem Archiv:

  

Bagger bedroht Bergwelt

Adieu Idylle oder: Natursteinindustrie plant weiteren Abbau nach verhalltem Bürgerprotest

(STS) Schaumburg. Abrißkanten, weggesprengte Berge, tiefe Wunden - trist, trostlos, garauenhaft: Die zerstörerischen Spuren in der Landschaft, Hinterlassenschaft der Natursteinindustire, sind Mahnmal für die wirtschaftliche Ausbeutung Schaumburgs. LKW für LKW wird und wurde den Schaumburgern über Jahrzehnte die Natur geklaut. “Es reicht”, skandierten engagierte Umweltschützer im Frühjahr 1998, riefen eine Bürgerinitiative ins Leben und sammelten über 1000 Unterschriften zum Erhalt der Schaumburger Berge. Doch die Idylle bleibt bedroht.

Nachdem der Kreisumweltausschuss auch auf Druck der Bürgerproteste Emde Juli den Antrag auf Aufhebung des Landschaftsschutzes an der Westendorfer Egge vom Tisch gefegt und damit der weiteren Zerstörung durch Gesteinsabbau hier einen Riegel vorgeschoben hatt, machte sich Euphorie breit. Und es wurde verdächtig still um das St+ückchen Berg oberhalb Deckbergens. Zu früh gefreut?

Was im ersten Moment wie ein Sieg der “Schaumburger Freunde” gegen die mächtige Natursteinindustie anmutete, könnte sich jetzt als taktisch eingefädelter Schachzug entpuppen. Nach Informationen des Max und Moritz wollte das Abbauunternehmen zu keiner Zeit auf die weitere Ausbeutung der Westendorfer Egge verzichten. Der zurückgezogene Antrag auf Abbauerweiterung nach der Entscheidung des Kreisumweltausschusses war einzig eine “Nebelbombe”, um sich Luft und Zeit zu verschaffen, gemäß dem erprobten Motto: “Aus den Augen, aus dem Sinn”. Und die Uhr tickt.

Die Unternehmensführung bemüht sich gegenwärtig mit Nachdruck, das Thema in den nächsten Kreistag zu bringen. Der steht Ende März an. Mit angeblich neuen Argumenten will das Unternehmen die Mitglieder des Kreistages für sich und damit für den erweiterten Abbau gewinnen. Nach Einschätzung von Elke Reineking, die als erprobte Bergaktivistin (Rettet den Möncheberg) die Bürgerinitiative ins Leben rief, gibt es keine neuen Argumente, die auch nur ansatzweise die Zerstörung der Natur rechtfertigen würden.

Steht der Antrag auf Aufhebung des Landschaftsschutzes erstmal auf der Tagesordnung, ist es mit und ohne schlüssige Argumente völlig unklar, wie die Kreistagsmitglieder letzlich darüber befinden. Steht doch die Erhaltung der Natur selbst unter touritikrelevanten Aspekten im Widerspruch mit den Interessen der einflussreichen Natursteinindustrie im allgemeinen, die die Gesteinsvorkommen in den nächsten 10 bis 15 Jahren so weit wie möglich abzubauen gedenkt.

Den Aktivisten, die mittlerweile über 2000 Unterschriften naturliebender Bürger vorlegen können, geht es derweil schon lange nicht mehr nur um das Stückchen Berg oberhalb Deckbergens. Zunehmend formiert sich der Protest gegen jede Form des Gesteinsabbaus. Und angesichts der Tatsache, dass spätestens bis zum Jahr 2002 ein neues Raumordnungsverfahren in Kraft getreten sein soll, in dem auch der weitere Abbau von Naturstein geregelt sein wird, ist es durchaus denkbar, dass der Kreistag mit seiner Entscheidung der Industrie folgt und schon eine Vorentscheidung sucht.

In diesem Zusammenhang stünde dann möglicherweise auch noch einmal der gerettet geglaubte Möncheberg in Schaumbur als denkbarer “Rohstofflieferant” zur Disposition. Der vorgegebene politische Kurs des Kreistages könnte durchaus für Naturstein kontra Natur ausfallen. Das wäre der Bezirksregierung nur recht, die gegenwärtig überaus bereitwillig Informationen auch hinsichtlich des neuen Raumordnungsverfahrens herausgibt. Weil damit der Kreis Schaumburg den Schwarzen Peter an sich ziehen würde, was einer Entscheidung für die zukünftige wirtschaftliche Nutzung der Schaumburger Berge zumindest begünstigen könnte.

Voraussetzung allerdings dürfte sein: Keine weiteren Proteste, keine Unterschriftenaktionen, weil sich gegen den Willen der Bürger kaum mehr die Rückstufung eines ausgewiesenen Landschaftschutzgebietes zum Zwecke der Zerstörung erhaltumngswürdiger Natur durchsetzen lässt.

Solte der Kreistag egegen die Schaumburger Berge stimmen, bliebe den Bergaktivisten immer noch der Weg der puplicytyträchtigen Klage. Und die scheut der Kreistag, wie der Teufel das Weihwasser. Stünden die Mitglieder doch dann in aller Öffentlichkeit als Buhmänner da, die Abrißkanten, weggesprengte Berge, tiefe Wunden in der Natur und damit den Ausverkauf der landschaftlichen Idylle zum Wohle der Industrie in Kauf nehmen.

 

Schaumburg-Lippische Landeszeitung

Gegen Abbau: Tourismus statt Rohstoff-Industrie

Von Karsten Klaus

Kreis Schaumburg. In Krainhagen werden Berge versetzt. Ganz locker verschieben die Mitglieder der Initiative „Schaumburge Freunde für den Erhalt des Wesergebirges“ die Pappmach- Modelle von Möncheberg, Oberberg, Westendorfer Egge, Messingberg, Roter Klippe, Papenbring und Wülpker Egge, bis die Weserkette im Kleinformat vor dem Sport- und Freizeitcentrum steht.

Tiefe Einschnitte wie Wunden springen sofort ins Auge: Hier haben sich die Bagger der Steinbruchbetreiber in den Berg gefressen. Sie scheinen maßlos in ihrem Appetit auf den guten Kalkstein-Oolith, ein gefrages Baumaterial. Und nun haben sie es auch noch auf Erweiterungsflächen im Nordosten der Westendorfer Egge abgesehen. „Stop dem Gesteinsabbau“ fordert die Initiative auf großenPlakaten. Sie will tatsächlich Berge versetzen – zunächst Berge in den Köpfen der Politiker, die demnächst die Weichen für das Projekt stellen. Elke Reineking und ihre Mitstreiter von der Initiative haben fast 1250 Unterschriften gegen eine Ausweitung der Abbauflächen an der Westendorfer Egge gesammelt. Die Listen überreichten sie jetzt in Krainhagen an Herbert Röhrkasten, den Vorsitzenden des Umweltausschusses des Kreistages. Sein Gremium wird am kommenden Montag darüber beraten, ob die Flächen aus dem Landschaftsschutz herausgenommen werden sollen oder nicht – eine wichtige politische Weichenstellung. Röhrkasten macht aber auch klar, daß sein Ausschuß nicht das letzte Wort habe: Kreisausschuß und Kreistag müßten sich abschließend mit dem Thema beassen. Der Ausschußvorsitzende, erklärter Verfechter des Naturschutzgedankens und Gegner des Gesteinsteinsabbaus, wagt keine Prognose, wie die Entscheidung augehen wird. Zu unterschiedlich seien die Auffassungen der Kreispolitiker. Auf der einen Seite die Befürworter des Abbaus, die wirtschaftliche Argumente ins Felde führen. Auf der anderen die Gegner, die mit der Initiative übereinstimmen: Das Wesergebirge hat schon lange genug als Rohstofflieferant herhalten müssen. Der Abbau hat Wunden in die Natur gerissen, die schon jetzt nicht mehr zu heilen sind. Vor dem Hintergrund unklarer Mehrheitsverhältnisse im Kreistag lobt Herbert Röhrkasten die Unterschriftenaktion der Initiative ganz besonders: „Ein gewich tiges Argument und eine wichtige Entscheidungshilfe!“ Elke Reineking weist darauf hin, daß mittlerweile an 13 Stellen im Landkreis Stein und Kies abgebaut wird. Doch das widerspreche einer umweltgerechten und zukunftsweisenden Entwicklung der Region, deren Chancen eher im Tourismus als in einem „Abbau-Industriegebiet“ lägen. Im Fall Westendorfer Egge haben Naturschützer sogar das Landesraumordnungpro gramm auf ihrer Seite: Darin sind zwar weite Teile des Wesergebirges als Flächen für die Rohstoffgewinnung ausgewiesen, im Bereich Westendorfer Egge hat jedoch die Trinkwasservorsaorge Vorrang. Weiteres Argument der Abbau-Gegner: Hier gibt es einen erhaltenswerten Bestand 140 -jähriger Buchen. Doch nun gilt es erst einmal, die Kreispolitiker zu überzeugen. Die Unterschriften von 1250 Schaumburgern (und Wählern) sollten da schon ein wichtiges Argument darstellen. „Wir haben überall offene Türen eingerannt,“ berichtet Frau Reineking. Bei der Unterschriftenaktion wurde die Initiative von zahlreichen Geschäftsleuten besonders aus dem Rintelner Raum unterstützt. Die Weserstadt ist besonders betroffen – hier wird allein an neun Stellen abgebaut und ausgekiest. Naturschutz als Grundlage allen Lebens – die Gedanke macht sich in den Köpfen von immer mehr Menschen breit. Nach Auffassung der Initiative kommt es nun darauf an, auch zu handeln – und zwar vor der eigenen Haustür. Die Kreispolitiker fordert sie darum entschieden auf: „Kein Abbau mehr, auch nicht in der Westendorfer Egge. Nehmen Sie Ihren Auftrag wahr, sich zum Wohle der Menschen für den Landkreis Schaumburg und die Zukunft unserer Region einzusetzen!“ Landes-Zeitung, 03.07.1998

 

Steinbruch-Erweiterung: „Wir gucken dann in die tiefen Löcher!“

Deckbergen (rnk). Mit fünf Nein-gegen drei Ja-Stimmen hat der Ortsrat Deckbergen-Westendorf -Schaumburg die Pläne für einen Erweiterung des Steinbruches im Bereich der „Westendorfer Egge“ abgelehnt.

Rund 3,6 Hektar, so sehen es die Pläne der Firma Möller vor, sollen im Steinbruch in östlicher Richtung (zum Deckberger Paß) abgebaut werden (wir berichteten mehrfach). Zwar liegt die Erweiterungsfläche wie der Steibruch selbst auf der dem Auetal zugewandten Seite der „Westendorfer Egge“, aber auf Rintelner Stadtgebiet. Die Stadt Rinteln muß als Träger öffentlicher Belange gehört werden, Bürgermeister Karl-Heinz Buchholz hatte das Thema in den Ortsrat verwiesen. Durch die Erweiterung würde der Steinbruch um etwa 200 Meter nach Osten ausgedehnt, die südliche Kammwand um rund 150 Meter verlängert. Vorgesehen ist ein Sicherheitsabstand von rund 100 Metern zur Autobahn und zum alten Steinbruch im Osten von 50 Metern. Der Sicherheitsabstand zur Kammlinie der „Westendorfer Egge“ nimmt im bereits vorhandenen Steinbruch auf der 1,1 Kilometer langen Strecke von rund 20 Metern im Westen auf 50 Meter im Osten zu. Auf den rund 3,6 Hektar, die den bereits bestehenden Steinbruch noch einmal um 20 prozent erweitern würden, sollen auf mindestens sechs Jahren 1,9 Millionen Tonnen Stein abgebaut werden. Die beiden in der näheren Umgebung liegenden Wasserschutzgebiete Engern- Ahe und Bernsen werden durch das Vorhaben nicht berührt – Gutachter, die dies bestätigen würden, stünden bereit, ließ Planer Georg von Luckwald bei der Vorstellung der Pläne im Ortsrat durchblicken. Von Luckwald, dem auch Ortsbürgermeister Eckahrd Hülm zubillgite, über den verdacht der bloßen Gefälligkeitsgutachtne erhaben zu sein, sprach von einem schlüssigen gesamtkonzept. Der voin 300 auf 100 Meter verringerte Abstand zur Autobahn werfe keine Problem auf, weil neue Sprengverfahren gerigne Sicherheitsabstände erlauben würden. Und 50 Meter kammlinie seien „ausreichend und gerchtfertigt.“ Bei der abschließenden Abstimmung votierten Karl Kohlmeier, Horst Bredemeier und Willi Tadge (alle SPD) für die Erweiterung, Eckhard Hülm, Manfred Skoruppa, Willi Diekmann (alle SPD), Maria Ruppel (CDU) und Hartmudt Bradt (WGS) stimmten dagegen, Walter Kunze und Gisela Stasitzek (beide SPD) enthielten sich. Vor allem Maria Ruppel machte im Ortsrat aus ihrer Abneigung gegen weitere Abbau-Pläne kein Hehl: „Und was bleibt uns? Wir gucken nach sechs Jahren abbau in die Löcher.“ In der nächsten Woche wird das Thema erneut behandlet: Im Rintelner Bauausschuß. Schaumburger Zeitung, 16.04.1998