Hannoversche Allgemeine Zeitung (Haz)  am  8.März 2002

  Der Artikel: und der Kommentar

Bürger regen sich auf über angefressene Berge auf!

    Geplanter Steinbruch macht Ärger im Wesergebirge

    “Bei uns gibt es kaum noch Berge, die nicht angeknabbert sind”, sagt Elke Reineking, Sprecherin der Schaumburger Freunde für den Erhalt des Wesergebirges. Auch die Landkreise Schaumburg und Hameln-Pyrmont, auf deren Gebiet das Dachtelfeld liegt, sowie alle umliegenden Städte und Gemeinden haben sich gegen den Gesteinsabbau ausgesprochen. Sogar Innenminister Heiner Bartling, der in der Region zu Hause ist, kämpft gegen die Pläne seiner Regierung.”Das Weserbergland ist bereits derart belastet, hier muss mal Schluss sein”, sagt Bartling. Rund 120 Hektar im Dachtelfeld (ein Gebiet so groß wie 170 Fußballfelder) will die Regierung als Vorranggebiet für die Rohstoffgewinnung im Landesraumordnungsprogramm ausweisen. Im Untergrund schlummert der Kalkstein “Korallenoolith”, der zu Schotter gemahlen und als Betonzuschlag im Hoch- und Straßenbau verwendet wird. Es gebe einen großen Bedarf an diesem Gestein, sagt Volker Müller von den Unternehmerverbänden. Die Versorgung sei langfristig nicht gesichert. “Auch ökologisch gesehen ist es sinnvoller, das Gestein in Niedersachsen zu brechen als es von weit her in Massen heranzukarren.” Interesse am Dachtelfeld haben vor allem die Hannoverschen Basaltwerke. Deren großer Kalksteinbruch am Ith, etwa 20 Kilometer südlich des Süntels, darf nur noch zehn Jahre betrieben werden.”Wir haben keine Möglichkeit, den Steinbruch auszuweiten”, sagt Geschäftsführer Peter Pawlitza. “Ohne das Dachtelfeld haben wir in der Region keine Zukunft.” Viele Arbeitsplätze hängen allerdings nicht an dem möglichen neuen Abbaugebiet. 20 bis 30 Mitarbeiter würden in dem Steinbruch gebraucht, schätzt Pawlitza. Die Gegner zweifeln an den Prognosen der Industrie. Der Bedarf an dem Kalkschotter sei längst nicht so hoch, wie die Unternehmen glauben machen wollten, sagt Thomas Schröder, Landtagsabgeordneter der Grünen aus Bad Münder. Es könne viel mehr Kalkstein als bisher durch wiederverwertbares Baumaterial ersetzt werden. Weil die Firmen nicht mehr so viel absetzten, reiche das Gestein in den vorhandenen Brüchen noch für Jahrzehnte. Es gehe dem Land eher um die Sicherung eines Unternehmens als um die Sicherung der Rohstoffversorgung, argwöhnen die Kritiker. “Die Konkurrenten haben ihre Claims in der Region abgesteckt. Jetzt müssen die Basaltwerke noch bedient werden”, schimpft Naturschützerin Elke Reineking. “Dieser Betrieb genießt offenbar besonders große Rückendeckung.” Mittlerweile beschäftigt der Streit sogar den Ministerpräsidenten. Es sei problematische, dass das Dachtelfeld an ein Schutzgebiet nach der  Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU grenze, räumt Sigmar Gabriel in einem Schreiben an den SPD -Abgeordneten Alfred Reckmann aus Nienstädt (Kreis Schaumburg) ein. Das Land müsse jedoch zwischen Naturschutz- und Nutzerinteressen abwägen, und dabei berge das Dachtelfeld im Vergleich mit anderen Abbaugebieten noch am wenigsten Konfliktpotenzial.

                                                                                 Haz,08.03.2002

Der HAZ  Kommentar   Von Margit Kautenburger:  

    Tourismus leidet
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    Das Opfer ist groß. Die reizvolle Landschaft im Weserbergland wird immer mehr zerstört. Jetzt will das Land noch weitere unberührte Höhenzüge für den Gesteinsabbau freigeben. Viele Bewohner gehen dagegen auf die Barrikaden.
    Zu Recht verlangen sie, dass es für immer neue Begehrlichkeiten eine Grenze geben muss.Die Steinbruchbetreiber wollen sich ihre Abbaurechte auf lange Zeit sichern.
    Das ist aus ihrer Sicht verständlich. Doch gibt es nicht noch andere Möglichkeiten,
    den begehrten Rohstoff zu gewinnen - zum Beispiel die Ausweitung bestehender Brüche? Die Beteiligten sollten sich noch einmal zusammensetzen. Sie sollten bedenken, dass die Region nicht allein vom Gesteinsabbau lebt. Der Tourismus spielt im Wesergebirge eine immer wichtigere Rolle. Mit einer verschandelten Landschaft kann man schlecht werben.
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    Sturm und Regen hindern die Protestler nicht

    Die Regenwolken hängen bis tief in die Wipfel der Buchen - die Fichten ächzen krachend im Sturmwind: Gegen den Gesteinsabbau am Dachtelfeld sind bei einer Demonstration 200 Bürger in den Süntel gezogen. “Es lohnt sich, diesen Flecken Erde zu erhalten”, macht Bad Münders Ortsbürgermeister Helmut Fasse (CDU) den Teilnehmern Mut. Mit dem Marsch protestieren sie gegen die Pläne, hier einen Steinbruch einzurichten. In welchem Ausmaß der Gebirgszug zwischen Rinteln und dem Süntel schon heute von Steinbrüchen durchsetzt ist, macht die Aktionsgemeinschaft gegen den Gesteinsabbau anhand von Luftbildern deutlich. In ihre Unterschriftenlisten haben sich schon 10 000 Bürger eingetragen. Von der Rohstoffgewinnung auf dem Dachtelfeld sei nicht nur der Standort der seltenen Süntelbuchen bedroht, warnt der Heimatforscher Karl-Heinz Buchmeier. Er sieht auch die Quellen des Blutbaches und des Langenfelder Wasserfalls in Gefahr: “Das wäre verheerend für den Naturschutz.” Einen Schutzhelm mit der Aufschrift “Bergwacht” hat sich daher der Grünen- Landtagsabgeordnete Thomas Schröder aufgesetzt. Seine Forderung: “Wir brauchen keinen neuen Steinbruch, sondern mehr Recycling.”                                       Haz,08.03.2002

                                                                                       Landschaftsverbrauch durch Gesteinsabbau: Bericht

 Die Weserberge