Dewezet, 21.12.2001

 

 

    Sigmar Gabriel: Konflikte wird es bei allen Flächen geben

    Bad Münder (pj). Das Niedersächsische Landesamt für Bodenforschung benannte zehn Lagerstätten von Festgestein, die für den verbrauchernahen Abbau in Frage kommen. Das Dachtelfeld steht an erster Stelle. Dagegen, dass hier Kalkgestein abgebaut wird, regt sich Widerstand in den Landkreisen Schaumburg und Hameln-Pyrmont.

    Die Niedersächsische Landesregierung benannte auf Anfrage des Grünen-Abgeordneten Thomas Schröder die Lagerstätten und Rohstoffvorkommen, die sich für eine langfristige Versorgung Niedersachsens mit Hartgestein eignen. Sieben der zehn wichtigsten Standorte liegen in den Landkreisen Hameln-Pyrmont und Schaumburg . Es sind dies das Dachtelfeld, Bereiche bei Segelhorst-Riesenberg, der Mattenberg bei Hamelspringe und der Ith im Kreis Hameln-Pyrmont sowie der Möncheberg, der Oberberg und die Luhdener Klippen, Hainholz in Schaumburg. „Erstmals wird die ganze Tragweite des Problems für unsere Region sichtbar“, betont der Grünen-Abgeordnete Schröder. An erster Stelle steht für die Landesregierung der Abbau von Kalkgestein im Süntel. Eine Arbeitsgruppe der Landesregierung, zu der auch Vertreter des Wirtschaftsverbandes Naturstein-Industrie gehörten, bewerteten die zehn Gebiete. Die Arbeitsgruppe kam zu dem Ergebnis, dass bei allen Abbaugebieten konkurrierende Nutzungsansprüche vorliegen. Kalkstein wird derzeit bereits im Steinbruch in Segelhorst, in Hamelspringe und auf einem geringen Teil des großen Vorkommens im Ith abgebaut. „Erweiterungen sind auf diesen Standorten aufgrund konkurrierender Nutzungen – es gibt unter anderem Vorschläge zur Ausweisung von FFH -Gebieten – sehr unwahrscheinlich, heißt es in der Antwort der Landesregierung auf die Anfrage von Schröder. Das Vorkommen am Oberberg ist von mittlerer Größe, wegen der einzuhaltenden Abstände zum Kamm und zum Naturschutz- und Wassergewinnungsgebiet würde sich das Abbaugebiet jedoch verkleinern. Außerdem würde der Waldverlust in einem ungünstigen Verhältnis zum Rohstoffabbau stehen, sagt das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Das Kalksteinvorkommen am Oberberg ist das größte der untersuchten Flächen, ist aber Teil eines großen Wassereinzugsbereichs und Wassergewinnungsgebietes. Die Fläche auf dem Dachtelfeld „wird im nördlichen Bereich von einem Wasserschutzgebiet und landesweit schützenswürdigen Biotopen überlagert. Im Süden und Westen grenzt die Fläche an einen FFH-Gebietsvorschlag. Problematisch ist die verkehrliche Erschließung“, heißt es in der Antwort auf die Anfrage. Dennoch kommt die Arbeitsgruppe zu dem Schluss, dass bei der Fläche „einem potenziellen Rohstoffabbau keine überragende Nutzungsbelange entgegenstehen“. Es wird deshalb empfohlen, die Fläche ins Verfahren zur Änderung des Landes-Raumordnungsprogramms einzubeziehen.

    Diese Argumentation der Landesregierung sei nicht nachzuvollziehen, kritisiert Schröder. Und er fügt an, dass „bei dieser Form der Bewertung mit dem gleichen Argument jedes andere Gebiet hätte vorgeschlagen werden können“. Für Thomas Schröder ist es zudem bemerkenswert, dass ausgerechnet der Vertreter der Naturstein-Industrie im Arbeitskreis eigene wirtschaftliche Interessen am Dachtelfeld habe. Der Politiker der Grünen fordert die Landesregierung auf, alle Informationen auf den Tisch zu legen und den Bericht der Arbeitsgruppe zu veröffentlichen. „Es geht nicht an, dass offensichtlich von einer Arbeitsgruppe aus Behörden- und Wirtschaftsvertretern hinter verschlossenen Türen politische Entscheidungen getroffen werden, die das Leben der Bürgerinnen und Bürger über die nächsten fünfzig Jahre entscheidend beeinflussen werden“, ärgert sich der Landtagsabgeordnete der Grünen. In der Plenarwoche im Januar müsse „versucht werden, das Gebiet wieder herauszubekommen“, sagt der Landtagsabgeordnete Ulrich Watermann (SPD). Auch sein Kollege aus dem Landkreis Schaumburg, Alfred Reckmann steht an seiner Seite. Dieser hat sich bereits an den Ministerpräsidenten Sigmar Gabriel gewandt und gefordert, dass auf dem Dachtelfeld aus Gründen des Natur- und Landschaftsschutzes kein Abbau betrieben werden dürfe. Bei seinem Besuch unserer Redaktion am Dienstag betonte der Ministerpräsident, dass es eine „konfliktarme Erschließung, egal an welchem Standort, nicht gibt“. Es werde „in all diesen Fällen gern das St. Florians Prinzip angewandt“, sagt Sigmar Gabriel. Dewezet, 21.12.2001

 

Deister- und Weserzeitung, Neue Deister Zeitung

 

 

Schaumburger Zeitung, Schaumburg Lippische Landeszeitung

 

 

    Ministerpräsident nimmt Listen im Landtag persönlich entgegen

    Hannover/Rinteln (wm). 16 Mitglieder der Aktionsgemeinschaft Weserbergland legten gestern Mittag im Leineschloss in Hannover die bisher gesammelten Unterschriften gegen einen weiteren Gesteinsabbau in der Region vor. Ministerpräsident Sigmar Gabriel nahm die Listen von Koordinatorin Elke Reineking persönlich entgegen. Aus Rinteln dabei: CDU-Ratsfraktionschef Thorsten Frühmark und Astrid Barenscheer-Heisecke, Kreisvorsitzende der Grünen.


    Foto:Im roten Karton, der das Misstrauen der Sicherheitsbeamten erregte, befinden sich die gesammelten Unterschriftenlisten gegen den Gesteinsabbau, die hier Elke Reineking dem Ministerpräsidenten Sigmar Gabriel überreicht. Rechts im Bild Helmut Fasse aus Bad Münder. Fotos: tol

    Mit der Einleitung des Mediationsverfahrens, an der auch die Bürgerinitiative beteiligt werde, betonte der Ministerpräsident in der kurzen Diskussion, hätten die Gesteinsabbaugegner bereits ein „Teilziel“ erreicht. Es sei nämlich ungewöhnlich, dass eine im Landtag anstehende Entscheidung nochmals „angehalten“ werde. Gabriel: „Die Wirtschaft ist über dieses Vorgehen stinksauer.“ Aus dem Gesetzentwurf für das Landes-Raumordnungsprogramm, das am selben Nachmittag ab 14.40 Uhr im Plenum diskutiert wurde, ist das Dachtelfeld als Vorranggebiet für Gesteinsabbau bereits herausgenommen worden. Gabriel mühte sich dann auch redlich, den Verdacht der Gesteinsabbaugegner zu zerstreuen, das sei nur aus taktischen Gründen mit Blick auf den Wahltermin geschehen. Die Bürgerinitiative, appellierte Gabriel, sollte das Vermittlungsverfahren als „Chance“ und einen ersten „Erfolg“ sehen und so auch „kommunizieren“. Erweitert wurde die Gesprächsrunde durch heimische Landtagsabgeordnete, die sich im Foyer dazu gesellten: Alfred Reckmann, Friedel Pörtner, Thomas Schröder, Ursula Körtner und Dr. Wolfgang Schultze. Auch Umweltminister Wolfgang Jüttner hörte zehn Minuten lang aufmerksam zu. Die große Polizeipräsenz vor dem Schloss mit Beamten auf Motorrädern und zu Pferd galt allerdings nicht den Gesteinsabbaugegnern, sondern einer Demonstation von Landwirten aus Salzgitter, die mit Traktoren eine Straße blockierten, um gegen die Einlagerung von Atommüll im Schacht Konrad zu protestieren. Trotzdem entging dem Auge des Gesetzes auch die Schaumburger Gruppe nicht, als sie aus ihrem Bus Plakate auspackte. Eine Willensäußerung per Plakat sei in der Bannmeile verboten, erläuterte ein Beamter, er müsse „bei aller Sympathie“ von Rechts wegen einschreiten. Die nächste Sicherheitsüberprüfung hatte die Abordnung dann an der Pforte zu bestehen. Sicherheitsbeamte überprüften Elke Reinekings roten Karton mit den Unterschriftenlisten. Heinz Werhahn, Mitarbeiter der Landtagsverwaltung, überzeugte sich davon, dass die Fotodokumentation „keine scharfen Kanten und Gegenstände“ enthielt. Wilfried Schnüll aus Schaumburg, Polizeibeamter in Pension, sah es gelassen: „Nicht gerade bürgerfreundlich, aber es muss wohl so sein.“ Weil im Plenum noch über die Folgen von Erfurt diskutiert wurde, nutzten die Schaumburger die Wartezeit, um anwesende Pressevertreter, unter anderem vom NDR, über ihr Anliegen zu informieren. Punkt 12 Uhr schritt dann Ministerpräsident Sigmar Gabriel durchs Foyer und scherzte zur Begrüßung: „Reden wir erst einmal inhaltlich über die Sache, und dann kommt die Show.“ Gabriel betrachtete sichtlich interessiert die Bildzusammenstellung über die bereits vorhandenen Steinbrüche („Ich verstehe ihre Position“), während ihm Elke Reineking die Situation erläuterte: In der Darstellung für das Raumordnungsprogramm würden nur die neuen Abbaugebiete gezeigt, nicht die bereits vorhandenen Löcher. Auf den Zusammenhang komme es an. In der Region sei Tourismus ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, Kapital dafür die intakte Landschaft. Helmut Fasse und Dirk Reinecke, Gesteinsabbaugegner aus Bad Münder, betonten, für die regionale Rohstoffversorgung reichten die vorhandenen Steinbrüche. Das sei Ergebnis der Recherchen der Aktionsgemeinschaft. Es könne keinen Sinn machen, „Berge zu exportieren“, nur weil in NRW und Schleswig-Holstein keine neuen Steinbrüche mehr eröffnet werden dürften. Der Ministerpräsident sagte nochmals zu, die Aktionsgemeinschaft, der 36 Vereine, Verbände und Gruppen angehören, werde „als ernsthafter Partner“ am Verfahren beteiligt, alle Argumente würden geprüft: „Lasst uns das in Ruhe machen.“ Zum Schluss wurde es noch persönlich: Der elfjährige Roman Mundt aus Bad Münder überreichte Gabriel ein rotes Herz mit seinem Herzenswunsch: „Keinen Berg mehr“ für den Steinabbau. Gabriel wollte im Gegenzug wissen, ob er schon mal ein Kartoffelfeuer gemacht habe. Roman: „Ja, aber da kam gleich die Polizei.“ Schaumburger Zeitung, 16.05.2002

 

 

Dewezet, Neue Deister Zeitung

 

 

    Dachtelfeld für Unternehmer nicht vom Tisch

    UVN-Hauptgeschäftsführer Müller: "Verzicht auf ein Vorranggebiet war unangemessen"

    Bad Münder (mf). Die Entscheidung, im Dachtelfeld keinen Gesteinsabbau zuzulassen, stößt in der Wirtschaft nach wie vor auf Kritik. "Der Verzicht auf ein Vorranggebiet dort war unangemessen", sagte der Hauptgeschäftsführer der Unternehmerverbände Niedersachsen (UVN), Volker Müller (49) gegenüber der Neuen Deister-Zeitung.

    Die Wirtschaft sei sich einig, dass die Landesregierung eine klare Positionierung für die ortsnahe Rohstoffversorgung vornehmen muss, hieß es bereits im vergangenen Herbst in einem Schreiben der UVN an das zuständige Landwirtschaftsministerium in Hannover. Diese Grundüberzeugung müsse aber auch dann Bestand haben, wenn im Einzelfall Konflikte vor Ort auftreten.

    Und weiter wörtlich: "Daran hat es in der letzten Legislaturperiode gefehlt, wie die Herausnahme des Dachtelfeldes aus dem Landesraumordnungsprogramm eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat."

    Müller sprach jetzt rückblickend von einer unbegreiflichen Nacht-und-Nebel-Aktion. Dass derzeit 30 Prozent des Bedarfs an gebrochenem Naturstein importiert werden müssen, sei nicht akzeptabel. Die Transportkosten belasteten die Branche und damit letztendlich auch die Allgemeinheit über Gebühr. Hinzu komme die fortwährende Planungsunsicherheit. Die Versorgung sei nur noch für die nächsten 10 bis 30 Jahre gesichert. "Dies künftig nur noch mit Steinbrüchen im Ausland bewerkstelligen zu wollen, kann ich nur als Kolonialstil bezeichnen", sagte Müller.

    Er könne auch keinen Gegensatz zwischen Naturschutz und Gesteinsabbau erkennen. "Ausgediente Steinbrüche können großartige Lebensräume für Tiere und Pflanzen sein. Die Natur kommt damit glänzend zurecht." Das Beispiel in Steinbergen mit dem Expo-Projekt "Steinzeichen" zeige, wie attraktiv Steinbrüche auch für den Tourismus sein können. Müller sieht daher für Bad Münder keine Konflikte zwischen Industrie und Tourismus.

    Das Thema Dachtelfeld ist für Müller keinesfalls schon vom Tisch. "Wir gehen völlig offen in das vom Land initiierte Rohstoffforum. Grundsätzlich müssen wir deshalb noch mal darüber sprechen."  Neue Deister-Zeitung, 16.03.2005